31.01.23 Saint-Thomas-la-Garde – La Chapelle-en-Lafaye – 23,7 km ( mit Umweg) – 1642,6 km
Heute habe ich tatsächlich mal vor, etwas früher zu starten. Es stehen heute um die 900 Höhenmeter auf dem Plan, davon einige recht steil. Lt. Buch 21,7 km – das ist ne angenehme Etappenlänge, aber eben die Höhenmeter nicht ganz ohne.
Frühstück um 8 Uhr und der Tag startet wieder genauso lustig, wie er gestern aufgehört hat.
Eigentlich habe ich gar keine Lust zu gehen, die beiden sind so klasse. Und nochmals bietet mir Jean-Yves an, mich ein Stück zu fahren. Nein… noch immer nein 😅
Mein Plan, früh zu starten, geht jedenfalls nicht auf… aber immerhin früher als sonst. Eine mega herzliche Verabschiedung und Maria, die ihr eigenes Haus 2 Straßen weiter hat, begleitet mich noch einige Schritte. Zum Abschied sagt sie, ich wäre jederzeit willkommen, sie würden sich sehr freuen 🥰
Und dann ziehe ich los. In meinen Gedanken gehe ich nochmal die ganzen Stunden seit meiner Ankunft durch… denke über dies und das nach…in meinem Schritt schwingt die Leichtigkeit der gemeinsamen Stunden mit und auch das Lächeln ist noch immer im Gesicht. Schön war‘s.
Und schon habe ich das erste Dorf / Städtchen passiert und nun geht es auch stetig aber sicher höher und höher.
Und heyyyy… die Sonne lässt sich blicken… sie kämpft sich allmählich durch die Wolkendecke. Wunderbar, hab gar nicht damit gerechnet, um so schöner jetzt.
Ein Winzer beschneidet seinen Wein… hmmm… irgendwie nach einem anderen Prinzip als mir noch kürzlich mir der Winzer im Burgund erklärte. Mehr so Kahlschlag.
Es wird nochmals etwas steiler, es geht auf den kleinen Berg Montsupt hoch. Auf dem Gipfel des Basaltkegels steht die kleine Kapelle „Sainte Marie Madeleine“.
Ich mache ein Minipäuschen und halte das Gesicht in die Sonne… so schön.
Nun geht es erstmal wieder ein bisschen runter… quasi damit sich der nächste Anstieg mehr lohnt😅😊 Anlauf sozusagen.
Aber ich mag es. Tatsächlich habe ich gar nicht so ein Problem mit „Berg hoch“. Wie oft habe ich schon auf den verschiedensten Inseln, in den verschiedensten Destinationen irgendwelche Gipfel bestiegen. Du musst nur deinen Rhythmus finden.
Und so schlängelt sich der Weg durch die Natur… Wie habe ich es immer als Reiseleiter so gerne beschrieben: „… und mit jeder Kurve ein anderes Panorama🤩“
Schon ist das nächste größere Dorf ran und es gibt sogar ein Restaurant. Und kurzentschlossen schwenke ich da rein. Wenn ich jetzt vernünftig esse, brauche ich heute Abend nur ne Kleinigkeit, denn wer weiß, ob ich da oben tatsächlich Lebensmittel kaufen kann. Auf mein gelbes Büchlein ist ja auch nicht so wirklich Verlass… Beziehungsweise es ist Winter, da ist einiges halt anders.
Tagesmenü 13€… das passt doch.
Es gibt eine leckere Suppe ind eine große Portion Nudeln mit Gulasch. Ich bin mega satt.
Scheint mein Glückstag zu sein heute… es geht nochmals durch eine Ortschaft mit einem geöffneten Lebensmittelladen und so tanke ich noch ne Runde Koffein mit Zucker 😅
Gegenüber ist eine Kirche, die dem Felsen angepasst wurde im Bau innen – schaut selbst!
Und weiter geht’s hoch. Hin und wieder genieße ich die herrliche Aussicht. Mit jedem Höhenmeter kommt nun auch bisserl mehr Schnee.
Mein nächstes Ziel ist nun Marols.
Plötzlich ist der Weg – mein Weg – abgesperrt. Upps… was nun?
Ich schaue mal online, ob ich ne Alternative sehe… nein?!
Shit! Dann gehe ich da jetzt einfach mal lang… schließlich kann ich ja nicht französisch😅
Schon wenige 100 m weiter liegt mir der Grund zu Füßen quasi.
Hier wurden etliche riesige Bäume gefällt die jetzt den Weg versperren.
Gut, was soll’s- klettere ich halt rüber. Das klappt einige Male relativ gut.. kostet allerdings Zeit.
Bei den letzten dann allerdings nicht mehr so easy. Oben rüber klettern wird einfach nichts. Oben entlang weitläufig umgehen scheint auch keine Lösung zu sein. Wie sieht es unten aus? Uii, ganz schön steil und Schnee und Laub machen es sicher nicht einfacher. Aber irgendwie sehe ich jetzt auch keine andere Lösung.
Und Schritt für Schritt und schön langsam wird’s dann auch. Und wieder denke ich, GsD hat mir Dajana meine Trekkingstöcke nachgeschickt 🙏🙏
Naja, sonst hätte ich mir natürlich schon längst neue gekauft. Dankbar auf jeden Fall, dass ich sie habe.
So, das wäre dann auch geschafft.
Kurz bevor es aus dem Wald heraus geht, kommen mir 2 Wanderer entgegen. Ich will sie vor der Strecke warnen, aber sie kennen sich bestens aus. Sie fragen, ob ich tatsächlich jetzt im Winter nach Santiago gehe und fragen mich, wo ich denn heute Nacht übernachte. Marols? Nein – La-Chapelle-en-Lafaye!
Was?!? Es wäre zu viel Schnee und es wäre zu steil und ich solle unbedingt Straße gehen und nicht den Camino!
In Marols angekommen checke ich das im Internet… puuhh.. nochmal n Umweg und es ist schon 15.30 Uhr durch. 7 Km!
Aber die Herren kennen sich wohl aus.. die hatten nur nen Wassergurt um… scheinen aus der Gegend zu sein.
Okay, dann mal los!
Uiii uiii uiii, also die Steigerung merkt man jetzt doch ganz schön. Einfach gleichmäßig durchziehen und vielleicht alle 50 Schritte ne Durchschnauf -Pause. Aber immerhin die Straße ist geräumt.
Denn inzwischen liegt links und rechts schon ordentlich Schnee, bin fast auf 1000 m Höhe.
Es kommt eine kleine Höfe-Ansiedlung und plötzlich endet die Straße und mein Internetempfang bzw. Handyempfang endete wohl schon vorher. FUCK!
Also die Straße ist vielleicht noch vorhanden oder in einen noch schmaleren Weg übergegangen, auf jeden Fall nicht mehr geräumt.
Egal, ich muss da jetzt durch!!!
Ich hatte mir GsD vorher paar Screenshots gemacht von der Strecke und meiner Meinung nach muss ich da jetzt weiter gerade aus! Plötzlich habe ich kurz Empfang. Die App sagt plötzlich, ich soll umkehren..weitläufig umkehren!! Nein! Die Zeit habe ich nicht mehr…!! Ich nutze den Empfang und bitte per WhatsApp Jean-Yves, er möge bitte in der Herberge Bescheid sagen, dass ich es nicht zu 17 Uhr schaffe. Er fragt, ob er nicht lieber Alarm schlagen soll, beim Pastor oder so?! Nein – ich schaffe das!
Schneeverwehungen nun auch noch! Halleluja! Kräftezehrend! Nicht anhalten- die Zeit läuft. Nun geht der Weg in den Wald rein, trotzdem bleibt es Tiefschnee. Es gibt Spuren. Eine davon scheinbar von Barfußschuhen. Bei der Höfeansiedlung kamen 3 Extremsportler keuchend kurz vor mir aus nem Seitenweg raus. Haben die hier etwa ihre Runde gedreht?? Nicht freiwillig würde ich…. oder doch? Was mache ich hier gerade😅
Der Waldweg steigt nun auch noch an….immer noch Tiefschnee.. angetauter Tiefschnee und ich hab die Zeit im Nacken. Lauf Sandra, Lauf!! Ich keuche mindestens so laut, wie alle 3 Sportler vorhin zusammen!
Mir kommt kurz ein Gedanke: Jetzt erarbeite ich mir den Applaus, den ich gestern bekommen habe😅
Bin ich froh, dass ich heute Mittag gegessen habe, denn jetzt brauche ich gerade alles an Kraft, was vorhanden ist.
Krasse Situation! Auf der einen Seite bin ich gerade total am Limit, aber auf der anderen Seite ist es ringsherum gerade atemberaubend schön🤩😍 Tief verschneiter Wald, immer noch hell genug, eine herrliche Stille… hin und wieder ruft ein Vogel. Mega!
Und dann ist es geschafft…plötzlich kommt mein Weg seitlich auf einer kleinen Straße raus. Die ist nicht geräumt, aber durch Autos schon mal platt gefahren. Etwas rutschig, aber besser als Tiefschnee allemal. Und da auch wieder Empfang 😅😅 I‘m back 😅 Ich atme auf.
Noch 2,5 km – alles ist gut😊
Der Abendhimmel färbt sich teilweise orange… wunderschön. Meine Belohnung heute 👏🏻
Kurz vor 18 Uhr bin ich an der Herberge. Sie ist auf und die Heizung ist an.
Cindy, die Hospitalera, meldet sich per WhatsApp. Sie lässt mich erstmal in Ruhe ankommen und kommt in einer Stunde vorbei.
Tatsächlich kann ich noch Lebensmittel kaufen, denn den kleinen Kiosk betreibt sie. Und so gibt heute Abend noch gekochte Eier und Nudeln mit Bolognese.