25.12.22 Perl – Sainte Marguerite 🇫🇷19,6 km ( 999,6 km)

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25.12.22 Perl – Sainte Marguerite 🇫🇷19,6 km ( 999,6 km)

Ich wünsche euch von Herzen Frohe Weihnachten – genießt die Zeit mit euren Familien, Freunden, Herzensmenschen 🥰🎄✨❤️💫

Ich schreibe wiedermal Blog, esse nebenbei ein warmes „Maggi“-Porridge, habe ich auch schon was länger im Rucksack. Und einen Teebeutel ziehe ich noch aus den Katakomben meines Rucksacks. Hätte ich gestern geahnt, dass es eine Küche gibt, hätte ich anders eingekauft. Naja, ist nun so und eine geöffnete Bäckerei oder ähnliches wird es ebenfalls nicht geben heute. Also keinen Kaffee🥴

Um 9.30 Uhr schon… Ohh… hektisch fange ich mal an, einzupacken. Dabei ist es doch längst zur  Routine geworden, morgens zu schreiben und etwas später zu starten. Klappt ja Etappen von ca 20 km ganz gut.  Und die Tage werden ja nun allmählich auch wieder länger. 

Heute führt mich mein Weg gleich nach dem Start mal runter👏🏻

Die letzten 2 Tage war ich ja an der Mosel unterwegs, da gab es eher keine Höhenunterschiede. Heute wird es einige Aufstiege geben, aber nicht gleich zu Beginn und auch nicht am Ende. Perfekt 😅👏🏻

Und es ist trocken – kein Regen. 

Auf meinem Weg durch‘s Städtchen fällt mir nun auf ( gestern beim Regen keinen Blick dafür gehabt), dass vor den Häusern Autos mit deutschen, französischen und luxemburgischen Kennzeichen stehen… ein buntes, grenzenlosen Durcheinander 😃 Und ich laufe an 3 DM‘s vorbei… auf 1,6 km Strecke 😅😅 Ich google – es gibt sogar 4 Filialen und eine davon die grösste überhaupt. Perl ist ein Städtchen mit gerade mal 9 000 Einwohnern. Aber eben in unmittelbarer Nachbarschaft zu Frankeich und Luxemburg. 

 Es zieht mich über die Brücke rüber nach Schengen/ Luxemburg. Einmal kurz Rundblick. Von Schengen hat ja irgendwie jeder schon gehört, wegen dem Schengener Abkommen, dass an 14.6.85 unterzeichnet wurde und 10 Jahre später in Kraft trat. Aber weiß auch jeder, wo es liegt? Voilà – hier ist es. 

Wie sagt man hier so schön? Das berühmteste unbekannte Dorf 😅

Ich sehe eine Tafel „Willkommen in Schengen, die Wiege des grenzenlosen Europas“ 

Es liegt genauso verschlafen da wie Perl, klar, es ist der 1. Weihnachtstag. Vor 10 Uhr war sicher etwas mehr Betrieb – der Gang zur Messe / Gottesdienst.  Aber ich war erst nach 10 Uhr auf der Straße. 

Ich suche die erste Muschel und los geht es. 

Vielleicht mal an dieser Stelle erklärt… Die Jakobsmuschel als Wegweiser. Die Strahlen stehen symbolisch für die vielen verschieden Jakobswege, die dann in Santiago de Compostela alle zusammen kommen. Und somit sollte richtungsweisend  nicht die Strahlen sein, sondern der Kopf. Leider klappt das ja noch nicht überall. Mal sehen, was mich nun heute erwartet diesbezüglich… Sie ist auf jeden Fall kleiner.  Und es gibt eine weitere Markierung…. rot/ weiß. 

Mein Weg geht also wieder zurück über die Brücke und dann rechts runter und an der Mosel entlang. Eigentlich an Bahngleisen entlang, dann kommt die Mosel und dann die Weinberge in Luxemburg. 

Ich mag durchaus Schienen, sie erinnern mich an meinen Nebenjob. Und daneben die Mosel und natürlich erinnern mich Wasserwege auch immer an die Seefahrt. Schön, beides nebeneinander 😊

Und dann stehe ich plötzlich vor einem Eifelturm, ich bin in Apach, meinem ersten französischen Ort 🇫🇷 😃 auf meinem Weg.

Es gibt eine schöne Infotafel über den/ die Jakobswege und auch die Markierung. Ich werde nun also gute 2,5 Wochen durch Lothringen oder französisch durch die Lorraine laufen.

Eigentlich müsste ich gleich wieder runter zur Mosel, aber ich gehe ein Stück ins Städtchen hinein, in der Hoffnung, einen Kaffee zu finden. Nö. Also gehe ich in der Ortsmitte wieder runter zur Mosel. 

Bis hierhin gab es immer mal wieder etwas Nieselregen oder weniger als das. Der Rucksack hat seinen Regenschutz drüber, aber ich hab den Poncho noch nicht rausgeholt. Doch nun scheint sich allmählich die Sonne durchzusetzen. Wie wunderbar. 

Schon bald erreiche ich Sierck-les-Bains. Ein schönes Städchen. Und wenn nicht schon in Apach, dann spätestens hier merkt man anhand der Architektur, dass man nicht mehr in Deutschland ist. Einiges erinnert mich an meine Provence-Reisen. 

Und zum ersten Mal ändere ich ganz unbewusst meinen Fokus. Hatte ich den bisher immer auf all das, was schwierig werden könnte… wenig Infrastruktur, da dünn besiedelt, schwer, Unterkünfte zu finden, die obendrein auch noch bezahlbar sind usw. 

Doch jetzt sehe ich erstmals wieder, was es alles zu entdecken gibt… welch Geschenk das Reisen an sich ist und zu Fuß sowieso und plötzlich erfasst mich die Welle der Zuversicht, die mich durch mein ganzes Leben getragen hat. Immer und überall… in jedem fernen Land mit fremden Kulturen, in jedem neuen Job mit neuen Kollegen, in jeder neuen Situation… ALLES wird gut, alles ist gut 😇❤️😇

Das Städtchen ist schön, sie haben einen hübschen Weihnachtsmarkt ( geschlossen) mit einem ganz besonderen Faible für Weihnachtsdeko. Überall hängen Teddys😃 

Wirklich schön anzusehen. 

Es gibt eine Burg und scheinbar dort auch Mittelalterfeste. 

Sie erinnert mich an meine spanische Heimat. 

Ich habe ja direkt an der Grenze zu Portugal gewohnt ( Costa de la Luz / Algarve) und genau an der Grenze liegt auf portugiesischer Seite das Örtchen Castro Marim. Und Ende August taucht das Städtchen ein in längst vergangene Zeiten. Die Burg, das ganze Dorf ist plötzlich Mittelalter PUR… 4 wundervolle Tage. Ich habe es geliebt, wenn es auch Ende August noch oft Temperaturen um die 40 Grad hat. Daran erinnert mich dieses Städtchen, diese Burg. Und ich bleibe noch eine ganze Weile gedanklich dort – in der Region 🇪🇸, die ich auch Heimat nenne, hängen. Am Ende meines Weges, also nach Santiago de Compostela/ Finisterre geht es genau dort hin… zum Entspannen, zum Erholen… Und 8 Umzugskartons wollen auch noch ausgemistet werden; reduziert werden auf maximal 2 zurück nach Deutschland gehen. Ich war damals schon halb auf dem Weg nach Spanien, als der Virus sich auf der Welt breit machte… 

Ein schöner Anstieg bringt mich wieder ins hier und jetzt und aus der Puste. 

In einem Wäldchen eine Mittagspause im Stehen. 

Kaum aus dem Wäldchen geht es durch viele Wiesen und hin-und wieder ist es ziemlich gatschig und rutschig. Puh, aufpassen. 

Irgendwann erblicke ich am Himmel, dass die Wolken wie eine Muschel aussehen. Mega schön. 

Die letzten 2 Kilometer ziehen sich , das kenne ich ja schon… egal, ob eine Etappe 30, 25, 20 oder nur 15 km hat…die letzten Kilometer ziehen sich. Trotzdem gebe ich Gas. Ich möchte nicht zu spät ankommen. Als ich vor 5 Tagen anfragte, ob ich kommen kann, sprachen sich Isabelle und Gerard erst einmal ab… es ist Weihnachten und sie wollen zu den Kindern. Und sagten dann ja, aber sie würden nicht kochen. Das mit dem Kochen macht gar nix, Hauptsache ein Bett bzw. Dach über den Kopf🙏🙏

Ich möchte jedenfalls nicht, dass sie auf mich warten müssen…also verfalle ich nicht in den Trödelschritt. Vielleicht haben sie auch den Schlüssel hinterlegt? Ich weiß es nicht. 

Das letzte Stück übe ich „Frohe Weihnachten“ auf französisch. Ich höre es mir immer wieder an ( Übersetzungs-App) und spreche es nach. Huiiii, nicht so einfach- so ungewohnt. 

Als ich klingel, dauert es eine Weile, bis aufgemacht wird. Ich wollte schon das Telefon rauskramen. Doch dann öffnet Gerard und macht gleich ein Foto von mir. Erinnerung sagt er. Gerard  spricht nur einige Brocken deutsch, trotzdem verstehen wir uns, besonders, als es ums Reisen geht.  Er bietet mir einen Kaffee an und ich sitze irgendwie im Paradies. Es ist wie ein riesiger Wintergarten ( ringsherum Fenster bis zum Boden)  aber doch auch Wohnraum. Eine riesige Tafel und mega schön dekoriert. Es gibt Unmengen von Blumen, die, wie ich später erfahre, nur im Winter drinnen sind. Buddhistische Gebetsfähnchen hängen, ich entdecke einige Buddhas. In der Gegenüberliegenden Ecke hängt ein riesiger TV und es läuft ein Relaxing-Film… Wald, Vogelgezwitscher 😊 

An einer anderen Wand hängen E-Gitarren. Es gibt soviel zu entdecken ringsherum. 

Und dann lerne ich auch Isabelle kennen, sie spricht sehr gut deutsch und begrüßt mich genauso herzlich wie vorher Gerard… mein französisches „Frohe Weihnachten“ kommt leider nur noch gestolpert und sicher falsch raus 🥴 Naja, ich habe es wenigstens versucht. 

Jeden Tag ein französisches Wort wäre ja ein Anfang. 

Und ruckzuck habe ich Gerard‘s Fotoalben von Nepal auf dem Tisch bzw. auf dem Schoß. Noch sitze ich in meinen durchgeschwitzten Wanderklamotten da, doch beim Plaudern über Nepal, Südostasien und das Reisen an sich mit Gerard   vergesse ich, dass ich eigentlich ne warme Dusche bräuchte. Wir verstehen uns prächtig… er französisch, ich deutsch und eben mit Händen und Füßen. Der Geist des Reisens….wenn man sich darauf einlässt 😊

Dann geht es doch irgendwann in „mein“ Zimmer. Der Gang dorthin ist etwas verwinkelt, hoffentlich finde ich allein wieder zurück. Sie begleiten mich beide zum Zimmer.  Ich mag das Zimmer auf Anhieb. Hier hängen viele Erinnerungen von Gerard‘s Reisen. Tibetische Gebetsfahnen über dem Bett. Auf dem Tisch eine liebevoll dekorierte Glasflasche mit Wasser gefüllt, daneben auf einem Glasteller ein umgekehrt stehendes Glas, darunter eine Schokopraline. Sie präsentieren mir beide – nicht ohne Stolz – „mein“ Bad.  Alles selbstgemacht. Gerard die großen Sachen und Isabelle hat wunderschöne  Fliesenmosaike gestaltet. So schön. Bevor sie mich alleine lassen, fragt Isabelle nach meiner Credencial ( Pilgerpass/ Stempelausweis). Ich antworte, dass ich ihn später mitbringe. Isabelle möchte ihn aber gleich haben. Ok. 

Ich solle mir die Zeit nehmen, die ich brauche und dann einfach rüber kommen… sie kochen.

WOW… sie haben ihren eigentlichen Weihnachtsplan wegen mir umgeschmissen. Ich bin gerührt.

Ich weiß nicht genau, wann die richtige Zeit ist. Ich will nicht zu früh aufschlagen. In Spanien ist man ja eher spät… wie ist es in Frankreich? 

Ich mache mich zu 18:30 Uhr fertig und klopft auch schon Isabelle an meiner Tür. Ah perfekt! 

Ich bin ganz froh, dass sie da ist, denn der Weg ist sehr verwinkelt. 

Sie bringt mich zurück in den riesigen Wintergarten mit dem Satz, dass wir erst einmal mit einem Aperitif starten. Gerard bietet mir verschiedene Sachen an und ich entscheide mich für Pastis, der im Süden Frankreichs mehr zu Hause ist. Wird aus Anis hergestellt, genau wie Sambuca, den ich ja liebe. Nur wird Pastis mit Wasser und Eis aufgefüllt und als Longdrink genommen. 

Isabell reicht noch einige kleine schön angerichtete Teller mit Häppchen. Mir fällt mein einsamer Heiligabend ein und bin so gerührt von dem, was mir hier gerade „passiert“, dass ich mir die Tränen kommen. Ja, der Camino ist wie ein Brennglas für alle Emotionen, die da nun mal sind. 

Gerard und ich unterhalten uns und Isabelle hantiert weiter in der Küche.  Dann wechseln wir den Platz zur Tafel, die gleichermaßen geschmackvoll wie liebevoll dekoriert und eingedeckt ist. Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Sie sagen immer wieder, es ist doch Weihnachten 🎄✨❤️💫

Auf meinem Brotteller sind 3 Brot- Tannenbäume 😍 Es gibt 4 weitere Gänge und alles ist sehr sehr schmackhaft. Auf dem Hauptgerichtteller hat Isabelle mit einem Dressing schwungvoll ein M für Marchetti ( Nachname) geschrieben 🤩, wie das ja oft auch Sterneköche machen. Und genau so komme ich mir vor, wie ein Gast in einem gehobenen kulinarischen Sternerestaurant🤩😍🤩 Nur geht es hier nicht so steif zu, sondern sehr sehr herzlich feierlich. Diese wunderschöne Dekoration, die vielen Blumen, im riesigen TV die Naturaufnahmen und beruhigende Musik mit Vogelgezwitscher, die vielen Dinge aus dem Tibet – ich bin wohl im Paradies 😍

Zum Essen präsentiert und serviert Isabelle einen Rotwein mit dem Namen „Mont Ventoux“. 🤩Den Berg hab ich ja schon an die 100 mal fotografiert auf meinen Provence-Reisen und im vergangenen Jahr haben meine Freundin Claudia und ich an einer geführten Sonnenaufgangswanderung teilgenommen – Magnifique 🤩

Ich zeige  Fotos von dieser Tour und sie sind begeistert. Ich soll sie später schicken. 

Welch wunderschöner Abend – welch ein Weihnachtsgeschenk🙏Selbstverständlich werde ich für dieses Essen zahlen, aber trotzdem empfinde ich es als großes Geschenk, diesen Weihnachtstag so verbringen zu dürfen🙏❤️🙏

Isabelle sagt, wenn Pilger da sind, gibt es eigentlich immer so ein mehrgängiges Abendessen mit schöner Deko etc. , denn es wäre die erste Etappe in Frankreich 🇫🇷 und wir Pilger sollen ein gutes Bild haben, sich freuen 🙏

Um 22 Uhr verabschiede ich mich und bin auch schon kurze Zeit später in der Koje und schlafe beseelt ein😇

2 Antworten

  1. Andrea Düntsch sagt:

    Danke schön 😊, dass du uns an deinem Abenteuer teilhaben lässt. WAHNSINN, was du da im wahrsten Sinne des Wortes auf die Beine stellst. Ich wünsche dir weiterhin viel Durchhaltevermögen, beste Kondition, gesunde Füße und wundervolle Erlebnisse und Eindrücke. Vielleicht gibt es irgendwann ein Buch? Fröhliche Wandergrüße 🥾🙋🏼‍♀️

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