08.12.22 Lennep – Altenberg (Odenthal) – 25,1 km (699,5 km) 

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08.12.22 Lennep – Altenberg (Odenthal) – 25,1 km (699,5 km) 

Der Wecker klingelt um 7 Uhr, der Dortmund – Herdecke- Blog muss noch endlich fertig geschrieben werden und dann bin ich endlich mal wieder up-to-date. Es regnet draußen und nicht zu wenig. Was soll‘s…es stürmt ja nicht. 

Und hey… welch ein Glück, bis ich ready bin, hat es tatsächlich mehr oder weniger aufgehört… naja, es nieselt noch. 

Da ich gestern in der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg ( im alten Zisterzienserkloster)Niemanden erreicht habe und auch meine Email unbeantwortet blieb, muss ich das noch schnell erledigen. Nun wird mein Anruf entgegengenommen…. Autsch 39€ Pilgerpreis. Aber die Hotels dort sind noch teurer. 

Ich muss erstmal zurück ins Zentrum, denn die Pension liegt am Rande der Stadt. Übrigens sehr zu empfehlen: Wiesenblick:) 

Als ich die Stadt am anderen Ende verlasse, hat der Regen bzw. Schneeregen ordentlich an Stärke zugenommen. Ich durchquere ein Industriegebiet  parallel zu einer sehr lauten Bundesstraße und muss an zwei, drei Ampeln stehen und auf grün warten. Manch ein Autofahrer starrt mich ungläubig an😳 Außer mir sieht man heute ja auch maximal Gassigeher 🐕, die allerdings mit etwas zerknirschtem Gesicht.

Irgendwann darf ich rechts abbiegen und schlagartig wird es stiller und noch einmal abbiegen und zack Natur Pur. Anfangs etwas gatschig, halt ein Feldweg. Aber bald geht es rein in den Wald. Schnee, Schneeregen, Regen… heute nur wenig Aufstieg, dafür mehr Abstieg…

Ich laufe natürlich mit Stöckern, doch irgendwie sind meine Handschuhe nicht in meinen Jackentaschen. Mist! Hab ich die vergessen? Oder versehentlich im Rucksack verbuddelt heute morgen beim Packen? Ach Mist! Meine Hände frieren ab. Aber den Rucksack runternehmen und somit auch Regenponcho und den Regenüberzug vom Rucksack bei diesem Wetter – darauf habe ich schon mal gar keine Lust. Zähne zusammenbeißen 

Mehr runter als hoch, grau, kalt, nass… da ist Tempo angesagt. Meine Finger spüre ich schon fast gar nicht mehr, aber ich komme gut voran. In Wermelskirchen Kaffeepause und weiter. 

Meine Handschuhe hab ich im kleinen Rucksack ganz unten gefunden, dafür ist meine schöne türkise Lesebrille nun weg. 

Montag war sehr ähnliches Wetter, aber ich bin nicht alleine gelaufen und die Etappe war sehr kurzweilig. Irgendwie wie im normalen Leben, oder?! Geteiltes Leid ist halbes Leid…bei den kleinen wie den großen Sorgen. 

Auch mit Handschuhen, die natürlich schon längst nass sind, sind meine Hände schnell wieder fröstelig. Buch rausholen, den Weg nachschlagen…. ähhhhh, Fotografieren schon mal gar nicht mehr.

Und dann bekomme ich eine WhatsApp, die mich fast Purzelbäume schlagen lässt, die mich das Wetter um mich herum vergessen lässt und die mir Tränen der Freude in die Augen treibt. 

Ja, Emotionen sind hier draußen irgendwie wie durch ein Brennglas verstärkt. 

Susanne schreibt: Ich habe gerade 500€ für das Kinderhospiz in Mecklenburg gespendet. 😍😍😍😍😍😍😍💃💃💃💃💃

Mit Susanne habe ich vor 25 Jahren auf Menorca zusammen gearbeitet, also eigentlich war sie Reiseleiter für alltours und ich für ITS, aber unsere beiden Teams waren viel zusammen… befreundet halt. Mit den Jahren verliert man sich etwas aus den Augen, aber nie so ganz… wie man gerade hier sieht! Susanne findet meine Aktion toll und hat in der Firma, für die sie arbeitet, hat sie freie Hand für ein bestimmtes Spendenbudget….und das ist nun nach MV geflossen🙏❤️🙏❤️🙏❤️🙏 Tausend Dank Susanne🙏❤️🙏❤️🙏 Und es wird eine Kilometerpatenschaft 😍😍😍😍

Und dann ist das Ziel plötzlich auch da. Also irgendwie hab ich mit diesem Riesen -Dom in so einem kleinen Ort und rundherum Natur überhaupt gar nicht gerechnet . Wahnsinn, ich bin beeindruckt. 

47€ Pilgerpreis… gut, da ist das Abendessen dabei .. da bin ich jetzt weniger beeindruckt. Ich nächtige in der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg im alten Zisterziensenkloster. Aber ein Pilger ist dankbar…

Puhhh… ich dachte, es wird erst in der Eifel teuer…aber eigentlich geht es seit Dortmund schon stetig aufwärts… keine Pilgerherbergen mehr vorhanden oder geschlossen.  Und was wird mich in Frankreich erwarten. 

Vorm Einchecken treffe ich auf Stefan, der noch viel schneller und mehr reden kann als ich 😅😅 Aber ein Gutmensch, sehr engagiert für Menschen, denen es weniger gut geht👍🫶 Er wandert gerne und so erzähle ich ihm bisserl vom Pilgerweg und dass es wohl auch etwas für ihn wäre 😊

An der Rezeption treffe ich auf einen Gast, der mir den Prinzenblick empfiehlt und so gehe ich nochmals ohne Rucksack raus und kraxele die Stufen hoch und genieße einen herrlichen Ausblick auf den Dom. 

Zurück im Zimmer hänge ich mich ans Telefon um die Übernachtungen nach Köln zu organisieren… es steht ja schon wieder das Wochenende vor der Tür. In beiden nächsten. Etappenzielen sind Pilgerherbergen, daher bin ich ganz guter Dinge. In Brühl sagt eine Bandstimme, dass man zwischen 17 und 19 Uhr anrufen solle. Ja, es war bereits 18 Uhr. Ich spreche auf’s Band. Ich rufe im Büro der Kirchengemeinde an und erfahre, dass die Pilger von Ehrenamtlern betreut werden, die sich das Telefon auch immer weitergeben. Ich ahne es schon; sie rechnen wahrscheinlich im Dezember nicht mehr mit Pilgern und haben vergessen, das Telefon zu dieser bestimmten Zeit zu aktivieren.  

Pilgerherberge Euskirchen: eine Bandstimme informiert mich, dass die Herberge geschlossen ist, da man Ukrainer dort untergebracht hätte, wofür ich vollstes Verständnis habe. Außerdem bekomme ich den Hinweis auf ein Hotel, das günstige Zimmer für Pilger hätte. Ich rufe das Hotel an und der nette Herr sagt, er hätte kein Pilgerzimmer mehr, aber könne mir einen super günstigen Pilgerpreis anbieten: 65€ mit Frühstück. Ich lehne dankend ab. 

Ich sagte ja schon, auf dem Weg ist man – bin ich viel emotionaler unterwegs. Kann natürlich auch an den körperlichen Anstrengungen liegen. Vielleicht auch, weil ich vom Regen durch war… ich weiß es nicht. Auf jeden Fall liefen mir schon wieder die Tränen.  Wenn das so weiter geht in den nächsten Tagen und auch in Frankreich, dann werde ich mir den Weg nicht mehr leisten können. Was mache ich dann? Spontan kam ich auf die Idee, im Notfall dann in Frankreich abzubrechen und bis zur spanischen Grenze vorzufahren und einfach dort die restliche Zeit zu pilgern bis die Kilometerzahl voll ist. Natürlich sind auch dort die Preise in den letzten Monaten gestiegen, aber für Pilger ist der Weg natürlich viel viel billiger als in Frankreich und eben auch in Deutschland. Die Pilgerweg-Infrastruktur ist natürlich ganz anders, es sind ja 1000ende an Pilger, die mittlerweile die klassischen Wege laufen. Ein Bett bekam man früher für zwischen 5 und 12 Euro in den Herbergen, ein Pilgermenü mit Vorspeise, Hauptgericht, Nachtisch, Wasser und Rotwein kostete zwischen 6,50€ und 12€. 

Naja, wir werden sehen… 

Apropo Essen… ich muss zum Essen, denn es ist natürlich keine von -bis Zeit, sondern Abendessen gibt es um 18:15 Uhr. 

Die Dame, die das warme Essen ausgibt, ist sehr nett. Ich bin wohl noch nicht angemeldet und so sage ich ihr, dass ich aber bezahlt hätte. Sie organisiert mir Teller, Besteck etc und sagt mir, wo ich sitzen kann. Auch morgen früh. Ich sage ihr, dass ich ich für Frühstück nicht bezahlt hätte und da schon weg wäre ( stimmt höchstwahrscheinlich nicht, aber ich habe in den Katakomben meines Rucksackes noch ein älteres Brot gefunden und da ich nach dieser kalten nassen Etappe etwas Warmes brauchte und wenn es warmer Tee ist, habe ich mich für Abendessen statt Frühstück entschieden).

Sie antwortet mir, dass ich mir doch ruhig heute Abend schon Brötchen oder Brot für den nächsten Tag schmieren solle und ich könne auch meine Thermosflasche vorbei bringen🙏🙏🙏🙏 So lieb. Die mich kennen, werden jetzt schmunzeln. Als Reiseleiter war das immer ein No-Go für mich, wenn die Gäste sich vom Frühstücksbuffet Proviant für den Tag mitnehmen. Aber jetzt habe ich die Aufforderung ja direkt vom Personal bekommen?! Hmmm🤔 Ich entscheide mich für EIN Brötchen. 

Apropo Thermoflasche. Hab ich mir am Vortag gekauft, billig und wer billig kauft, kauft zweimal. Sie hat Null isoliert und undicht ist sie auch noch. Ich habe sie schon in den Papierkorb getan.

An der Essenausgabe wird eine junge Frau auf mich aufmerksam. Sie spricht mich auf das Pilgern an. Und speziell das Pilgern im Winter. Sie selbst ist auch schon öfters gepilgert und hat auch schon in Spanien gelebt. 

Ich bin immer noch angeschlagen von meiner Herbergssuche und erzähle ihr, dass es gerade etwas schwierig ist und ich auch noch nicht weiß, was mich in Frankreich erwartet. Und natürlich von den Herzensschritten.  Sie ist mit einer Gruppe da und isst natürlich mit ihnen. 

Etwas später – schon fertig mit dem Essen – kommt sie an meinen Tisch und fragt, ob sie sich zu mir setzten kann und wir bisserl über das Pilgern reden können. Aber natürlich, voll gerne. 

Und dann sagt Sonja, sie hätte während des Essens sich schon mal auf meiner Webseite umgeschaut und findet das absolut toll was ich mache 🥰

Und sie schiebt mir einen gefalteten 50€ Schein zu. WOW!!!!❤️ Ich frage Sonja, für welches Projekt ich es in ihrem Namen spenden soll?? Und Sonja antwortet, dass diese 50€ für mich wären. Wenn in den kommenden Tagen wieder nur die Option bestehe, in ein teureres Hotel zu gehen, kann ich es von diesem Geld bezahlen. ❤️WOW❤️ Ich bin sprachlos für den ersten Moment und die Augen fluten schon wieder. 1000 Dank liebe Sonja🙏❤️🙏❤️🙏

Wieder einmal zeigt der Weg mir, dass es immer weiter geht… dass von irgendwo ein Licht herkommt. 

Und in diesem Vertrauen suche ich auch nicht mehr weiter nach Unterkunft für das Wochenende. Es wird sich eine Lösung finden 😇🙏

Was für ein Tag!! Durchspült von Regen, Emotionen und Dankbarkeit 🙏🥰

3 Antworten

  1. Sonja Vordermark sagt:

    Liebe Sandra,
    ich hoffe, du bist heut gut nach Köln gekommen.
    Was für eine schöne Camino-Begegnung gestern in Altenberg.
    Natürlich war mir in Altenberg bewusst, dass ich auf dem Camino bin, aber eine Begegnung mit solch einer besonderen Pilgerin, das hatte ich nicht erwartet.

    Ich wünsche dir eine gute Nacht und eine besondere Adventszeit auf dem Camino.

    Sei herzlichst gegrüßt
    Sonja

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