04.01.23 Rouvres-La-Chetive – Dombrot-le-Sec 27,6 km (1215,4km)
Der Wecker klingelt und ich greife mal ausnahmsweise nicht zum Handy und schreibe Block😅
Denn ich muss zum Bus, der um 9 Uhr abfährt nach Rouvres-la-Chetive. Am Vorabend standen hier 6 oder 7 Busse und ich hatte mir auf die Schulter geklopft, dafür, dass ich das mal alles gecheckt habe. Um dann eben am Morgen kein Problem zu haben. Hätte ich auch ohne Check nicht, denn es steht nur genau ein Bus dort 😅
Aber so habe ich wenigstens dieses doch ganz nette Stadtzentrum gesehen.
Keine 15 Minuten Busfahrt und dann bin ich auch schon auf dem Weg. Grau und ein leichtes Nieseln. Ich habe den Poncho griffbereit am vorderen Rucksack eingeklemmt, mag ihn aber noch nicht überziehen. Windig. Und windiger. Ich merke schon, dass wird nicht der beste Pilgertag. Die Wege ziemlich Wind-ungeschützt.
Aber sie sind gut markiert.
Der Weg zieht sich und zieht sich… es ist eben einfach nur GRAU.
Ich rufe meine Freundin Nicole an und nun fliegt die Zeit. Wir quatschen und quatschen und ruck zuck sind 2h und ca 10 km vorübergezogen 😅😃
Der Weg führt an einem Dörfchen vorbei, Auzainvilliers. Tatsächlich nur vorbei, aber ich entscheide mich, ins Dörfchen zu gehen. In der Hoffnung, dort ein Bushaltestellenhäuschen zu finden. Ich habe inzwischen 15 km auf meinem Tacho und meine Füße melden sich allmählich und auch der Rücken wäre den Rucksack mal ganz gerne los.
Und tatsächlich, die ca. 2x 500m Umweg haben sich gelohnt, Gesuchtes ist vorhanden😃 Nicole und ich verabschieden uns.
Wir sind schon seit 33 Jahren befreundet🥰….Januar 1990😊 Ich kam gerade von meiner ersten großen Seereise zurück und unsere Eltern haben sich kurz nach dem Mauerfall kennengelernt😊
Kurz vor Weihnachten schickte mir Nicole einen Screenshot und dazu die Worte: Du, kann ich das so rausgeben?! Ich hab mal vor paar Wochen die Redaktion angeschrieben, die eine Pilger- Zeitschrift rausgibt…“ Hammer🤩🤩🤩 Hat sie einfach so – still und leise gemacht😍😍
Und die Redaktion brauchte jetzt Text und Bildrechte.
Sehr geile Aktion liebe Nicole 😍🙏❤️🙏😍
Gut pausiert und mit neuer Kraft geht es weiter. Und nun gehts ab in den Wald. Schön, endlich bisserl weniger Wind. Dafür Matsch😅
Und heute gibts den ersten Bauchklatscher😱 Ich hab mich mit dem rechten Fuß oder mit dem Trekkingstock in nem tiefliegenden Ast von nem Strauch verhakelt und zack liege ich. Mein kleiner Rucksack fängt es bisserl ab und dann bin ich wie so‘n Breakdancer, vielleicht nicht ganz so grazil, aber mindestens genauso schnell wieder hoch gesprungen😂🤣 Auf jeden Fall konnte ich es noch abwenden, dass mein Gesicht in der Motter liegt.
Gute 1,5 Stunden bin ich in diesem Wald. Immer wieder versteckt sich unter Laub Rutschfläche in Form von Motter. Es gibt Stellen, die sind von Reifen zerfurcht… manche vielleicht von Waldarbeitern etc., etliche aber auch von Cross-Fahrzeugen. Ich fluche…. das macht echt kein Spaß. Blick ständig unten, höchste Konzentration.
Ich erwähnte schon, dass ich „verkehrstechnisch“ sehr flexibel bin, oder?! Also jetzt als Pilger/Wanderer fluche ich über die die ganzen FUN-Gasgeber hier im Wald… aber, ehrlich gesagt, hätte ich auch Bock, hier mal mit nem Quad durchzuheizen😍😜 Macht bestimmt irre Spaß.
Wegweiser sind nicht immer eindeutig angebracht, bzw. sind immer wieder Muscheln falsch herum. Das vom Strahlenbündel ( Jakobswege) gebildete Zentrum ( Santiago de Compostela) sollte ja eigentlich richtungsweisend sein… klappt leider nicht immer.
Dann sehe ich mal gar keine Markierung mehr. Google fragen… Ohhh shit.. kein Empfang!!! Nun wird’s aber höchste Zeit Frau Jafra, mal die Touren bei Komoot runterzuladen und offline verfügbar zu machen. Denn das Problem mit dem Empfang wird mir wohl in den nächsten Tagen öfter mal begegnen.
Irgendwann ist auch dieser Wald durch und mich empfängt der Wind wieder, der direkt stärker geworden ist.
Ich gebe mir was auf die Ohren. Podcast. Wollte ich ja eh gaaanz viele hören. Doch tatsächlich ist es das 2. mal in 2 Monaten.
Ich passiere einen kleinen See samt Naherholungsgebiet und dann bin ich auch schon in Contrexéville. Der Ort scheint für seine Thermalquellen bekannt zu sein. Ich passiere ein großes Casino. Ich muss ins nächste Dorf, gute 4,5 km weiter. Das Wetter wird jetzt ungemütlicher. Und so kämpfe ich mich Schritt für Schritt vorwärts. Dann endlich sehe ich den Kirchturm… aber nööö! Auf den letzten 2 km scheint es immer wieder kleine Minihügelchen rauf und runter zu geben. Nun fängt es auch doch noch an zu regnen. So‘n Sch…!!! Und ich bin heute gar nicht fein in meiner Wortwahl… aber es hört ja eh Niemand. Fluche etwas vor mir her. Aber auf den letzten Metern den Poncho rauskämen, habe ich keine Lust. Da fluche ich lieber weiter vor mir her. Dann endlich bin ich da.
Mein eigenes Tacho zeigt 32,4 km an und das kommt auch ungefähr hin. Der Weg vom Hotel zur Bushaltestelle, dann von der Bushaltestelle zum Startpunkt, der Umweg zum Bushaltestellenhäuschen bzgl. Mittagspause… summiert sich halt. Auf jeden Fall bin ich froh, nun endlich am Ziel zu sein.
Ich übernachte heute wieder bei „Freunden des Jakobsweges“ wie man hier sagt. Eben Menschen, die selbst gepilgert sind oder eben einfach den Pilgern sehr freundlich zugetan sind. Meist auf Spendenbasis oder es ist ein fester Preis, der aber im Gegensatz zu anderen Übernachtungsmöglichkeiten, falls es die überhaupt gibt, sehr gering ist und man bekommt Abendessen und Frühstück und wird oftmals auch schon begrüßt mit einem Heißgetränk. Und hat ein familiäre Atmosphäre in der Fremde… ein Stück Familie, was immer wieder schön ist.
Marie-Jo heißt mich auf deutsch herzlich willkommen 🙏 und ich bin sehr überrascht, dass sie deutsch spricht und das sogar sehr gut. Denn am Telefon war nur französisch möglich und Jean Lois Kelst von der Basilika in Domrémy hat für mich reserviert.
Auf jeden Fall erfahre ich wieder herzlichste Gastfreundschaft. Auch die Verständigung mit Lucien klappt mit Mimik/Gestik ganz gut und der Enkel Lucien, der gerade zu Besuch ist, kann etwas deutsch und englisch.
Bei Tee und Kuchen ist mir Marie Jo behilflich bei der Unterkunftssuche für den nächsten Ort.
18 km weiter sollte es eine einzige Unterkunft in Aureil Maison geben, aber die ist geschlossen. Dann erst wieder in weiteren 15 km und der Wetterbericht sagt nix Gutes voraus. Das wären dann 33 km wieder. Über 30 km im Winter ist eine Tortur, zumindest für mich. Der Tag ist viel zu kurz, es gibt keine Einkehrmöglichkeiten und vielleicht nicht mal ein Bushaltestellenhäuschen für ein trockenes Päuschen. Mal einen Tag über 30km ja, aber nicht zwei Tage nacheinander. No way.
Und so sehen das auch Marie Jo und Lucien. So braucht es also von meiner Seite nicht viel Überlegung, ihr Angebot, mich bis Aureil Maison zu fahren, dankbar anzunehmen.
Im Anschluss zeigt mir Marie Jo mein Quartier, es ist direkt nebenan in einem sehr schönen Gite ( Ferienwohnung). Falls jemand von euch mal Ferien oder eine Kur machen will in der Gegend ( Thermalquellen in Contrexéville und Vittel), kann ich euch dieses Gite sehr empfehlen.
Zeit, für eine heiße Dusche und bisserl entspannen und dann gehe ich auch schon wieder nach nebenan zum gemeinsamen Abendessen. Doch vorher gibts am heißen Ofen noch einen Aperitif und ich habe sofort die Katze auf dem Schoß😍 Die Streicheleinheiten genießen wir wohl beide gleichermaßen.
Und nach dem Abendessen bin ich dann plötzlich sehr müde. Mein Körper hatte heute nach einer nur sehr kurzen Nacht eine Etappe, die nicht ganz ohne war, bewältigen müssen und fordert jetzt einfach mal sein Recht auf Erholung. Erinnerung an mich selbst: Gehe achtsamer mit dir selbst um.
Eine Antwort
Hallo Sandra, dass du an ein aufgeben nie denkst: dazu Hut ab!!! Bei diesem ungemütlichen Wetter immer wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen und immer wieder den Weg unter die Füße zu nehmen!!, ✊🏻 Respekt!!! Wir drücken dir alle Daumen, dass du weiter allen Mut zusammen nimmst und so erst einmal durch das sprachlich schwierige Frankreich durch kommst. In Spanien wird’s bestimmt etwas entspannter und auch das Wetter ggf. etwas angenehmer . LG aus der Heimat, Hans Werner und Brigitte