05.01.22 Aureil-Maison – Bourbonne-les-Bains 16 km ( 1247,4 km)
Nach dem Frühstück bringen mich Marie Jo und Lucien wie abends zuvor besprochen nach Aureil-Maison und wir verabschieden uns herzlich voneinander.
Am Vorabend hatten wir auch herausgefunden, dass von mehreren Hotels am Zielort nur eins geöffnet hat und als Special-Pilgerpreis 65€ ohne Frühstück aufruft. Ich hatte noch eine Option bei Airbnb für 52€ gefunden und angefragt. Bisher ist noch keine Antwort gekommen und notfalls muss ich eben das Hotelzimmer nehmen.
Es geht an einigen Weiden und Feldern vorbei…windig, aber es nieselt nur leicht vor sich her. Noch kein Grund, den Poncho überzuschmeißen.
Es geht recht schnell bergauf… kleine leicht schweißtreibende Frühsportrunde…quasi 😅
Und irgendwann geht es rechts ab, hinein in den Wald. Windgeschützt 😅
Aber tatsächlich hält die Freude nicht lange an… der Wald gleicht eher einem Feuchtbiostop. Klar, die moosbewachsenen Bäume, die ich immer wieder faszinierend finde und so gerne fotografiere, sprechen da ja schon ne ganz klare Sprache. Und hier gibts eigentlich keinen Baum, der ohne Moos ist. Und der Weg, mein Weg steht unter Wasser. Ich muss mir immer wieder neben dem Weg einen Weg suchen durchs dicht gewachsene Unterholz und auch der ist manchmal morastig und manchmal steht das Wasser unüberwindbar ( wenn man trockene Füße behalten will). Also muss ich auch immer öfter die gesuchte Umgehung umgehen😱 Wo zum T… ist denn jetzt eigentlich nochmal mein Weg?!?
Mein Telefon hat schon längst weder Internet noch Empfang! Mist! Und gleichzeitig bin ich heilfroh, dass ich hier noch früh am Tage durchgehe!!! Hier möchte ich echt nicht LOST sein in den späten Nachmittagsstunden!!!! Never!!
Erinnerung an mich selbst: Ich muss jetzt dringend für Speicherplatz auf dem Telefon sorgen und mich mit GPS und Komoot beschäftigen. Pilger Hendrik hatte mir da bisserl Hilfe geschickt🙏🙏 Schon vor Tagen! Nun wird’s höchste Eisenbahn Frau Jafra. Ein weiter Blick auf der Karte verät, es wird noch viel Wald kommen und wenige Orte.
Irgendwann bin ich raus aus diesem gespenstischen Wald🙏🙏
Wie ich es genieße – mein Herz hüpft gleich mal. Es geht nun stetig bergab. Dann eine riesige Picknickfläche mit herrlichen Ausblick. Es gibt auch eine Wetterschutzhütte, oder was soll das sein?! Leider keine Bank. Da es nieselt, spüre ich eher kein Verlangen, mich auf den nassen Steinbänken zu setzen. Ist auch nicht ganz so schlimm, denn Sooo viele Kilometer werden es heute ja nicht. Also weiter! Ich passiere das Dorf Serqueux, das ich mir gerade noch von oben angeschaut habe.
Das Nieseln nimmt zu, ich habe noch immer keine Lust auf den Poncho. Ziel ist ja auch schon in Sichtweite. Doch nun geht es auf Wiesenwege lang und jetzt bekommen die Schuhe nochmals volle Breitseite ab!
Da ich noch immer keine Antwort von Airbnb habe, storniere ich die Anfrage und rufe schnell im einzigen Hotel an, dass geöffnet ist im Zielort. Doch irgendwie muss ich die Schuhe bisserl sauber bekommen, mit solchen Motterdingern kann ich da nicht reinmarschieren.
Kurz vor Ziel kreuzt mein Weg eine Patisserie und ich freue mich über einen heißen starken Kaffee.
Das Hotel ist mitten in der Einkaufsstraße, doch die macht mir einen ziemlich verlassenen Eindruck. Ich checke ein. Ab aufs Zimmer, aber die Schuhe ziehe ich mal lieber unten an der Treppe schon aus.
Ich bin überrascht..mit der Deko habe ich nicht gerechnet.
Nach der Dusche breite ich erstmal alles um mich herum (sitze auf dem Bett) aus, was ich inzwischen an Unterkunftslisten etc. habe.
Bis nach Langres sind es über 50 km, auf dem Jakobsweg, also 2 Etappen. Dort gibt es Pilgerfreunde, also ein Kontakt von meiner wertvollen Liste.
Mein Telefon hat irgendwie Null Empfang, ich habe nur das Hotel-WLAN. Ich bitte Marie Bo dort anzurufen und zu fragen, ob ich kommen kann.
Mit einigen anderen Sachen gehe ich runter und bitte den Hotelier um Hilfe.
In dem knapp 20 km entfernten Varennes-sur- Amance gibt es eigentlich nur eine Unterkunft und die ist geschlossen. Er hat noch einige Ideen, ruft hier und dort an, ohne Erfolg.
Was soll ich nur tun?? Ich kann keine 50 km laufen… never ever!!! Lt. Google wäre es auf der Straße „nur“ 40 km – auch das No way!
Ja, ich bin schon auf Jakobswegen in Spanien vor Jahren mal hin- und wieder knapp 40 km gelaufen notgedrungen, aber im Sommer! Längere Tage, anderes Wetter, Pausenmöglichkeit. Auch das ist eigentlich für mich ( kann nur für mich sprechen- jeder Pilger hat andere Ansprüche an seinen Camino) nicht schön, denn mit „Weg genießen“ hat das wenig zu tun. Aber auf dem Weg von Sevilla nach Santiago, der Via Plata, gibt es eben auch viel weniger Unterkünfte als auf dem Frances.
Aber HIER und JETZT und 40 km Straße ohne Seitenstreifen schon mal gar keine Option.
Dem Hotelier fallen noch 2 Hotels ein in Val-de-Meuse, einem Ort fernab des Caminos. Man müsste also nicht zum Übernachten 2,3 km zur Tagesetappe dazu planen abseits vom Weg, sondern komplett neue Wege planen. Google zeigt dazu erstmal komplett Straße an. Beide Hotels schlagen mit über 90€ zu Buche, mein Hotelier ruft an und fragt nach einem Pilgerpreis… 85€ ohne Frühstück. Ich bin raus! Ich bin raus. Ja, diese Strecke zwischen Grenze bis Le Puy wird/ ist die teuerste Strecke, es wird in ca. 3-4 Wochen wieder günstiger, ABER irgendwo ist ne Grenze, meine Grenze… zumal der Ort nicht mal annähernd auf dem Camino ist.
Ich gehe wieder aufs Zimmer…schau mir nochmals die Karte an, google die Orte, die auf meiner Liste der Helfer stehen und nicht auf dem Weg sind. Aber keine dieser Adressen betrifft meinen vor mir liegenden Wegabschnitt.
So allmählich kapiere ich, dass nur noch eine Variante übrig bleibt, auch wenn ich es nicht wahrhaben will: nach ner Busverbindung googeln. Aber nicht mal da kommt was! Das kann doch alles nicht wahr sein, das ist doch eine Kleinstadt.
Also gehe ich wieder runter zur Rezeption und frage. Nein, einen Bus gibt es nicht, aber die Frau vom Hotelbesitzer könne mich morgen früh mit in den Ort nehmen, in dem die Kleinen zur Schule gehen und von dort nach Langres laufen. Es geht um 8 Uhr los. Ja natürlich passt mir die Zeit.
Dankbar für die Lösung 🙏 auch wenn sie nicht im Ansatz die ist, die ich erhofft habe. Schon wieder überspringe ich Kilometer.
Ich schaue auf die Uhr…. wow, es ist schon 19 Uhr und ich habe außer Planung für den kommenden Tag noch nix geschafft. Ach doch; da es eine tolle Handtuchheizung im Bad gibt, habe ich meine Wanderhose ( die voll Motter war ) gewaschen und noch paar Kleinigkeiten.
Ich müsste mal dringend was essen, für das morgige Frühstück ( kostet im Hotel 13€) brauche ich auch noch was und Proviant nicht zu vergessen. Es soll nur 1,5 km weiter einen Aldi geben. Doch kaum bin ich aus dem WLAN Bereich raus, versagt mein Navi. Es kann doch nicht sein, dass es hier auch Null Empfang gibt. Ok, ich versuche es mal mit aus-und wieder einschalten💡Tatsächlich, das war das Problem. Na immerhin gab es dafür jetzt ne Lösung.
Aber ich bin trotzdem durch, mir ist zum Heulen. Ich stecke genau in den Schwierigkeiten, die mir einige Pilger prophezeit haben.
Ich glaube, ich kann nicht mehr!
Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt ran, zu (Notfall-)Plan B überzugehen. Vorfahren bis Le Puy-en- Velay, ab da wird es einfacher!
Ich brauche einen Rat, einen Pilger-Rat oder muss mich zumindest mal Ausheulen bei jemanden, der sich ein Stück weit in die Situation hineinversetzen kann. Ich rufe Martin & Christa an, meine Pilgereltern in Bremen, die den Weg auch komplett gegangen sind, allerdings in der besseren Jahreshälfte. Ja, das Gespräch ist jetzt wie Balsam.. Zuspruch🙏 Und Martin hat natürlich Recht, so intensiv wie der Weg gerade ist, wird er auch unvergessen für mich bleiben. Diese intensiven und sehr schönen Begegnungen mit den französischen Familien, die Pilger aufnehmen, wird es ab Le Puy nicht mehr geben, denn dort gibt es dann mehr Pilger, mehr ( treffender wohl das Wort „überhaupt“ ) Pilgerherbergen.
Ab Dijon wird’s schon etwas einfacher, sagt Martin.
Und ja, es würde mich wahrscheinlich immer „kratzen“, wenn ich diese ca. 500 km Pilgerweg einfach überspringe.
Mir geht es besser nach dem Telefonat, viel besser! 🙏 Danke🙏
Auf meiner to-do Liste für heute ganz oben stand eigentlich auch, Speicherplatz schaffen auf dem Telefon-Handy und mich mit Komoot befassen. Da gehe ich dann also jetzt bei.
Okay, ich weiß jetzt, wie ich die runtergeladene GPS-Liste vom aktuellen Camino da integrieren muss, ABER Komoot will sie nicht, da die Datei-Ändung nicht passt. Wahrscheinlich wieder so‘n Apple Ding! Fuck!!
Okay, dann plane ich einfach mal ohne die Liste jetzt die Strecke von Marcilly-en-Bassigny nach Langres und speichere die Offline, denn darum geht es ja… im Notfall auch ohne Netz aus dem Wald herauszufinden. Ich hoffe jetzt einfach mal, dass die Strecke der Jakobsweg ist.
Und damit wäre der Abend dann auch durch. Ich bin durch und hab wieder keine Zeile Blog geschrieben; weder Instagram noch Facebook bedient, nicht mal Statusbilder reingestellt.
Buenos Noches!
Ach nee…Bonne nuit!