13.01.23 Beaune – Chagny – 21,2 km (1339,6 km)
Ich habe wunderbar geschlafen, sicher auch der totalen Ruhe geschuldet. Die „Wärmeflasche“ konnte ich ich auch irgendwann rausschmeißen, Heizung abstellen. Und so schiebe ich auch erstmal das Bett wieder zurück an die Wand und schreibe erstmal bisserl. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich bleiben darf und pressiere doch bisserl.
Gehe ins Bad, packe schon mal alles ein und dann nach nebenan in die Küche und bin mega positiv überrascht. Da liegt schon frisches Baguette für mich, Salatblätter, Käse, Kekse und Tüten zum Einpacken. WOW, damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Denn ich hatte das Brot gestern Abend nicht angerührt und mir gedacht, das werde ich zum Frühstück essen.
Ich nehme mir auf jeden Fall Zeit für‘s Frühstück. Draußen fängt es gerade an in Strömen zu regnen. Da wird man ja jetzt sicher nicht erwarten, dass ich starte?
Es ist von allem da…der Engel von gestern hat mir verschiedene Joghurts, Milch, verschiedene Säfte in den Kühlschrank getan. Und es ist Kaffee, richtiger Kaffee da. Es gibt auch eine Maschine, aber ich brühe ihn mir türkisch auf, so wie ich es liebe. Schon sooo lange nicht mehr so getrunken, bestimmt das letzte mal irgendwo in einer Kirchengemeinde vor Dortmund.
Es regnet – wunderbar, ich habe Zeit😅
Als ich bei meinen letzten Vorbereitungen bin, kommt die nette Nonne von gestern mit einem Stempel um die Ecke. Ich frage sie nach ihrem Namen. Sie heißt Benita.
Ich kenne noch eine andere Benita und auch sie ist wie ein Engel für mich😊 Sie ist vom Frauenbildungsnetz MV in Rostock und sie hat mir mega bei der Webseite geholfen. Nein, ohne sie hätte es die nicht gegeben 🙏😊
Diese Benita hier vor Ort fragt besorgt nach, ob ich auch wirklich genug Proviant habe und ob ich noch irgendwas anderes brauche.
Ich möchte bezahlen oder zumindest Donativo da lassen. Nein, sagt sie. Sie würden von mir kein Geld annehmen. Sie nehmen eigentlich keine Pilger mehr auf seit COVID, doch es wäre ihnen eine Ehre gewesen, mich beherbergt zu haben, da ich einen solch langen Weg gehe. Und jetzt holte sie noch 2 Paar dicke selbstgestrickte Socken🙏🙏 Mega lieb🙏
Gegen 10 Uhr starte ich dann. Der Regen hat aufgehört und wir verabschieden uns sehr herzlich, auch 2 weitere Nonnen von den insgesamt 5, die hier leben kommen noch vorbei.
Im Zentrum drehe ich noch eine Runde durch das Museum Hotel Dieu“. Das Hotel-Dieû wurde 1443 gegründet und wurde bis 1971 als Hospital / Hospiz für die Armen genutzt. Sehr interessant. Leider habe ich es verpasst, mir den Innenhof anzuschauen. Dort gäbe es wundervolle Dächer zu bestaunen.
Welch wunderschönes Wanderwetter. Sonne und blauer Himmel. Mit Sonne geht gleich leichter, so auch das Wandern bzw. Pilgern. Und wohl auch bei den Winzern auf den Weinfeldern läuft es leichter. Ich höre viel Lachen dort, wo sie zu zweit oder auch in kleinen Gruppen durch die Reihen ziehen mit ihren Scheren.
Ich selbst bin natürlich langsamer, da ich ständig das Fotohandy zucke. Mann, ich lerne es einfach nie. Am Abend oder morgen früh brauche ich dann wieder ewig, um mich zu entscheiden, welche Fotos ich poste… oder welche auf den Blog kommen und welche überhaupt bleiben dürfen. Entscheiden ist ja nicht so meins und aussortieren schon mal gar nicht. Irgendwann wird dieses Handy schreien: Speicher voll 🙈🙈
Es wird etwas windiger… ganz schön windiger und der Wind kommt von vorne. Mächtig windig und ich hab echt zu tun. Aber es könnte schlimmer sein: Regen und Wind!
Und tatsächlich ziehen von hinten bedrohlich dunkle Wolken ran. Vor mir in nicht allzu weiter Entfernung liegt das Dorf Meursault. Mein Schritt nun mega schnell. Den Regenponcho habe ich dieses Mal nicht vorne, es sah ja heute früh nicht nach Regen aus, nachdem der Schauer vorüber war.
Erste kleine Tropfen, die Regenwand hinter mir…. ich zögere es immer noch heraus, den Rucksack runter zu nehmen um an den Poncho zu kommen. Pokerface. Doch wenn ich mich täusche, werde ich plitschnass sein. Ich ziehe das Tempo an.
Ich erreiche das Städtchen und es bleibt trocken. Es einige Restaurants, aber auch eine Patisserie gegenüber der Kirche. Tische sind nur draußen und so ist meine Psuse halt draußen.
Frisch aufgetankt geht es weiter.
Hier gibt es viele kleine Mauern, die mich an Menorca oder auch Irland erinnern. Steinmauern, die ohne Mörtel oder ähnlichem zusammengehalten werden. Es gibt eigens ein Handwerk dafür.
Erinnerungen an Menorca werden wach… Dort habe ich meine allererste Reiseleitersaison verbracht, frisch von der Reuseleiterschulung. Es folgten 2 weitere Einsätze dort… 3 x ein halbes Jahr. Im ersten Jahr alleine und später wurde dann ja mein damaliger Partner auch Reiseleiter. So hatten wir in all den Jahren immer zusammen gearbeitet. Erst auf dem Schiff, dort hatten wir uns ja kennengelernt. Dann hatten wir unsere eigene Gadtronomie und später Reiseleiter auf Menorca und Gran Canaria.
Auf Menorca liehen wir uns gemeinsam mit den Kinderanimateuren vom selben Veranstalter mal einen Jeep, der hatte man gerade 50 km auf dem Tacho, nagelneu und weiß. Europcar. Da wir ja Autos an Gäste vermieteten, bekamen wir den fast umsonst. Mussten nur die Versicherung zahlen. Also dieser Ausflug. Irgendwo haben wir wohl ne Abbiegung verpasst…die Straße / der Weg wurde immer enger. Links und rechts Dirnengestrüpp…. Kratzer auf dem Lack blieben nicht aus 🙈 Links und rechts nur Mauern oder Gestrüpp. Umdrehen ging also gar nicht, Rückwärtsfahren war auch keine Option. Hinter einer Mauer war freies Feld, irgendwie ein größerer Bauernhof. Und so entschieden wir uns🙈🙈🙈🙈, die Mauer abzutragen und durchzufahren🙈🙈🙈🙈🙈. Wir haben sie auch wieder aufgebaut, sah natürlich nicht so schön aus.
Für den Fall, dass uns jemand anhält, hatte ich auf dem Beifahrersitz die Landkarte auf dem Schoß und einen Satz bzw. Frage in einem südöstlichen deutschen Dialekt parat: Wo ist denn die Cala Galdana???
Über 20 Jahre her…. und gerade sind die Erinnerungen da, als wenn es gestern gewesen wäre…
Die Animeure hatten uns am nächsten Tag eine Postkarte geschenkt, auf der ein Esel seinen Kopf auf die Mauer gelegt hat und auf der Rückseite stand : Diplom Mauerbauer“
Ach ja, irgendwann muss ich mal wieder nach Menorca…
Es ist noch immer etwas windig, hinter mir drohen immer noch dunkle Wolken und scheinbar regnet es auch weiter hinten. Nun kommt ein fantastischer Regenbogen zum Vorschein…
Und er begleitet mich über eine Stunde!
Wie fast immer zieht sich dann doch der letzte Kilometer oder besser die letzten 2 Kilometer. Ist schon fast lustig… alles ne Kopfsache. Erster Anlaufpunkt für mich ist die Touristinformation. Dort ist Magali – wie auch schon am gestern ihre Kollegin in Beaune – mega bemüht, mir zu helfen bzgl. Unterkunft. Es geht ja um den morgigen Tag in Moroges und Umgebung. Gestern hatte ich noch etwas gesehen bei Booking.com für 89€ und bei Airbnb waren die Preise auch 90€ aufwärts. Das Zimmer bei Booking.com ist jetzt für 130€ zu haben. Magali telefoniert alle möglichen B€B‘s ab, die meisten haben geschlossen, doch am Ende hat sie etwas am Weg gefunden für 60€. Ist ja dann schon ein Schnäppchen. Und hey, dafür durfte ich heute morgen in Beaune nicht mal n Donativo geben, so relativiert es sich dann wieder.
Ich weiß schon, dass es zu meinem heutigen Schlafplatz keine 100 m sind, besagte Fanny von der „ Helfer-Liste“ wohnt direkt eine Straße weiter.
Auf der Strasse erkennt mich schon der Sohn und nimmt mich mit hoch. Eine herzliche Begrüßung und Fanny zeigt mir meinen Schlafplatz, der noch eine Etage höher ist und bietet mir erstmal etwas zu trinken an. Nach dem Kaffee ziehe ich nochmal los, ich will mir noch schnell die Kirche anschauen und eine Runde durchs Zentrum schlendern.
Fanny spricht sehr gut englisch und sie verrät mir schon, dass in der Kirche eine Lourdes-Grotte zu finden ist und draußen eine interessante Spiegelung.
Ich zünde eine Kerze an und bleib noch eine Weile sitzen.
Das Zentrum ist nicht so groß. Zwei, drei Einkaufsstraßen und fertig. Ich finde eine Vinothek und gönne mir nochmals einen guten Wein.
Ich bin kurz nach 18 Uhr zurück, Essen gibt es um 19.15 Uhr, habe also noch genug Zeit zum Duschen und bisserl zum Chillen. Zum Essen ist auch Fanny’s Mann dabei und einer der Söhne kommt kurzzeitig dazu. gibt es ein schmackhaftes Hühnergericht und im Anschluss quatschten wir noch eine Weile. Es ist wieder so ein Mega Herzensmensch. Lachjoga-Therapeutin, aber auch Sängerin. Während der Pandemie hat sie 2 tolle Emotions-Kartenspiele entwickelt, die auch Therapeuten bei ihren Arbeiten mit Kindern nutzen.
Vor Corona – erzählt sie mir – hat sie sich bis zu 4 x im Monat im Kostüm hingestellt und „Free Hugs“ ( kostenlose Umsrmungen) angeboten. Toll. Ich erinnere mich an meine Verabschiedung ( oder war es die Begrüßung) von Chrissi , der Reiseleiterin, die einen Tag mit mir mitlief. Wir umarmten uns und eine ältere Passantin sagte, sie hätte niemanden, der sie umarmte. Für uns beide war es ganz selbstverständlich , sie kräftig in den Arm zu nehmen.
Vor Jahren eine Verabschiedung von meiner Mama in Bad Doberan… ich bin mal wieder umgezogen. Eine ältere Frau, die an uns vorüberging, sagte, sie werde ganz neidisch, sie hätte schon so lange keine Umarmung mehr gehabt. Ja selbstverständlich nahm ich sie in den Arm. Meine Mutter und der Schweizer haben nicht schlecht geguckt. Es kostet mir doch nichts und schenkt dem anderen einen glücklichen Moment.
Bei einer Umarmung oder Berührung wird das Glückshormon Oxytocin ausgeschüttet, schon ab 4 Sekunden….
Ein schöner ungezwungener Abend und wir lachen viel…