09.03.23 Harambeltz – Saint-Jean-Pied-de-Port – 26 km (2416,6 km) 

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09.03.23 Harambeltz – Saint-Jean-Pied-de-Port – 26 km (2416,6 km) 

Wir haben uns für Frühstück um 7.30 Uhr entschieden.

Nachdem die Jungs, Dominik und Ivan, gestartet sind, haben Marie und ich nochmals sehr schöne Gespräche… über den Camino, Psychologie und ja, die Kunst des Glücklichseins. Wie wichtig es ist, auf sein eigenes Herz zu hören❤️ Manchmal oder meist gehört eine Portion Mut dazu, seinen eigenen Weg zu gehen…. 

Wieder ein Abschied, der schwer fällt. 

Ich bin voller Bewunderung für Marie. Ich habe in den letzten Wochen so einige tolle Hospitaleras / Hospitaleros getroffen. Marie ist mit Abstand die Jüngste und einer der Engel auf dem Camino. Sie hat sich nicht nur schon sehr früh für ein Leben auf dem Camino entschieden – sie LEBT den Camino und das spürt man auch. 

Ich weiss gar nicht, wie ich es in Worte fassen kann, aber mit ihren jungen Jahren hat sie sich schon so bewusst für diesen Weg entschieden… und das aus tiefstem Herzen, tiefster Überzeugung. Ja, Marie hat schon sehr sehr früh herausgefunden, was ihr Herz zum Singen bringt❤️ Auf jeden Fall eine Begegnung, die mich sehr berührt hat.

Wir verabschieden uns herzlich voneinander (vielleicht komme ich mal wieder als Aushilfs-Hospitalera?) und dann geht es für mich in Richtung Saint-Jean-Pied-de-Port… Ein weiterer wichtiger Meilenstein auf meinem Weg von der Ostsee nach Santiago de Compostela. 

Es ist wärmer als gedacht. Am Nachmittag soll das Thermometer auf 19 Grad klettern. Doch auch schon jetzt halte ich es mal gerade 15 Minuten mit der Jacke aus. Ich überspringe die Variante „Shirt + Fleece“ und entscheide mich direkt für „nur T-Shirt“🙃

Aber spätestens ab mittags soll das Wetter sich ändern; der Wind wieder zunehmen, immer weniger Sonne und ab 15 Uhr Regen. 

Dominik wird sicher trocken ankommen. Ich vielleicht auch, wenn ich weniger trödeln würde. Wenn ich weniger fotografieren würde, weniger links und rechts vom Weg alles bewundern würde… aber genau das macht für mich der Weg aus. 

Ein wunderschöner Pilgertag. Es geht durch kleine baskische Dörfer mit viel Landwirtschaft bzw. Viehwirtschaft. Ich mag die Landluft 😊

Eine Herde Schafe zieht an mir vorbei und so manch ein Hund bellt mir hinterher. Meist sind es hier Border Collies, eben Hütehunde. 
Ein Mann, der seine Kühe von der Strasse wegtreibt… weiter ins Hinterland. Aber erst muss er noch eine Mutter-Kuh zu ihrem abseits liegenden Kälbchen treiben, dass sie es abholt 😍

Gedanklich bin ich heute immer wieder mal etwas voraus..schon bei meiner Ankunft in SJPdP. 

Wie wird es wohl sein?? Vor fast 13 Jahren startete hier mein allererster Pilgerweg. Am 27.4.2010 bin ich angereist und am 28.04. dann gestartet. Ich hatte noch bis einschließlich 26.4. auf einer Messe gearbeitet und die Klamotten nach Hause geschickt. Ein Freund holte mich direkt vom Messegelände ab und brachte mich so spät wie möglich zum Flughafen. Hab dann noch ein paar Stunden auf dem Flughafen geschlafen bevor es dann nach ✈️ Bilbao ging und von dort mit Bus und Bahn und Bus nach SJPdP. Während dieser Anreise lernte ich meine ersten Weggefährten kennen und wir liefen ca. 10 Tage gemeinsam. 

Als wir, als ich damals in SJPdP ankam, war das natürlich ein wahnsinnig großes Gefühl. Soviel Neugier auf all das, was mich erwartet. Mein bis dahin größtes Abenteuer sollte am kommenden Tag starten. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten wird. Ich hatte nicht mal wirklich trainiert. Die Schuhe hatte ich eher auf Messen eingelaufen. Um alles, was ich mich wirklich gekümmert habe in den 3,5 Monaten zuvor war die Ausrüstung. Ich hatte lediglich die Übernachtung in SJPdP vorab gebucht, so dass ich mich zumindest ausgeruht, wenn auch nicht trainiert, auf den Weg über die Pyrenäen machen konnte. 

So damals… 

Und heute?? Irgendwie fühlt sich das gerade komplett anders an. Als wenn ich schon kurz vor Ende meines jetzigen Abenteuers bin😅😅 Und irgendwie… ja. Heute Abend werde ich ca. 2400 Camino-Kilometer hinter mir haben… 3/4 des Weges. Schon irgendwie ganz schön krass. Manchmal kann ich das selbst so gar nicht richtig greifen😅

Und so vergeht die Zeit. Ich mache ein schönes Päuschen in der Sonne, windgeschützt auf einer Bank an einer Wand. 

Der Wind wird zunehmend mehr. Wahrscheinlich werde ich auch nicht trocken ins Ziel kommen…die Wolken werden dunkler und dunkler. Auf den letzten 4 Kilometern vereinzelnde Regentropfen, nun werde ich doch bisserl schneller😅Dominik ist bereits schon um 13 Uhr angekommen… krass. Durchschnittsgeschwindigkeit um die 5,2 km/h 😳 Nee, da trödele ich lieber genießend vor mir her 🙃🙃🙃

Und mein Handy kündigt kurz vor Ziel schon wieder an, dass der Speicher voll ist 🤨Manno!!! Beim Frühstück hab ich mal kurz laut darüber gewundert, dass ich gefühlt 200 Fotos lösche und dann nur gefühlt 50 neue Fotos schießen kann. Dominik erklärt es umgehend: Da es sich ja um Fotos vom alten Handy handelt und die Technologie sich weiter entwickelt hat, haben die neuen Fotos eine ganz andere Kapazität. Das leuchtet dann sogar mir ein😆💡😆💡😆

Es bleibt tatsächlich bei diesen paar Tropfen, was wahrscheinlich dem starken Wind zu verdanken ist. Für irgendwas muss er ja gut sein😅

Und da ist auch schon die „Porte Saint-Jacques“ 😍 

Reingekommen bin ich ja hier noch nie. Trotzdem ist es gerade für mich kein erhabenes großes Gefühl, momentan drehen sich meine Gedanken eher um das „trockene Ankommen“, denn auf den letzten Metern möchte ich nun auch nicht mehr nass werden.  Auf meinem Weg zur Unterkunft befindet sich auch das Pilgerbüro und auch ein Ausrüstungs-Store.  

Also schnell mal noch rein ins Büro. WOW… hier saß ich damals auch und habe mich a n g e m e l d e t 😊 Hier schaut man wieder sehr ehrfürchtig auf meine zurückgelegten Kilometer und obendrein im Winter. Wie schon vorher geschrieben, mir selbst ist die zurückgelegte Kilometerzahl gar nicht immer so präsent oder bewusst. Nur manchmal. Denn ich habe eigentlich immer nur einen Fuss vor den anderen gesetzt, Tag für Tag ist so ins Land gezogen. Manche waren leichter, manche schwerer. Aber wenn du das Schwere nicht erlebst, kannst du dann überhaupt das Leichte Genießen? Beides bedingt sich.. irgendwie🙃 Ying & Yang😊

Auch Dominik treffe ich hier wieder und plötzlich füllt sich das Büro.  4 asiatische Pilger und 3 weitere englisch sprechende Pilger. Auf meiner Nachfrage hin erfahre ich, dass momentan ca. 30 Pilger hier täglich starten 😊

Ich gehe noch kurz in den Ausrüstungsladen rein und dann zur Unterkunft runter. 

Und jetzt werde ich doch noch kurz für einen Moment sentimental. Das ist hier die Pilgerstrasse schlechthin im Ort. Rue d‘ Espagne – der Name sagt es schon. Die Straße, die nach Spanien führt. Hier bin ich damals in das große unbekannte Abenteuer gestartet, noch nicht ahnend, dass es nur der Anfang von Vielem war 😍😎

Noch kurz in die Kirche rein und ab in die Unterkunft. Ich habe ein sehr sehr schönes Gespräch mit Eric, dem Hospitalero, selbst Pilger. Über den Camino, dem Leben, der Veränderung! Er hat zu seinen Kindern, als sie mit der Schule fertig waren, gesagt: „Ich habe nur eine einzige Forderung an euch: Macht das, was EUCH glücklich macht! Für alles andere ist das Leben zu kurz!“ Mega!! 

Eine schöne Herberge. Es gibt Nischen mit jeweils einem Doppelstockbett und andere mit 2 Doppelstockbetten. Jeweils mit Vorhang und jedes Bett hat eine Lampe und eine Steckdose. 

Dominik hat eine Nische und ich habe eine. Mehr Pilger kommen wohl nicht. Dominik kommt gerade vom Schuster zurück, er hat seine Schuhe neu besohlen lassen. Und nun regnet es wie aus Kannen. Glück gehabt. Zum Glück kann man sich auf den Wetterbericht selten verlassen 😅🙃 

Allmählich wird mir richtig kalt. Der Körper verlangt nach Essen, aber sowas von! Das kleine Küchlein und die 2 Müsliriegel mittags waren ja jetzt nicht die grösste Mahlzeit😅

Pünktlich zu um 19 Uhr hört der Regen auf, wir entscheiden uns für ein Restaurant um der Ecke und haben einen richtig schönen Abend. 

Dominik ist vor etlichen Jahren schon mal die ersten 4 Etappen vom Frances gelaufen, quasi einen Freund einige Tage begleitet, der von Le Puy gestartet ist. Da ist er auf den Geschmack gekommen und später mit dem Fahrrad nach Santiago gefahren. Das war ihm eigentlich zu schnell und so ist er jetzt, wo er mehr Zeit hat, zu Fuß unterwegs. Im Laufe des Abends sagt er, dass er noch immer zu schnell ist ( ach nee😅🙃) und er vielleicht das nächste mal mit einem Esel gehen sollte👏🏻👏🏻👏🏻👏🏻 Er befürchtet nur, dass er dann den Esel im Anschluss nicht wieder abgeben kann 😍❤️😍, ihn mit nach Hause nehmen muss. Ja, das soll vorkommen😃 Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich von einer Pilger-Esel-Love-Story gehört habe. 

Wie gesagt, ein schöner Abend. 

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