02.01.23 Chalaines – Domrémy-la-Pucelle (Geburtsort Jeanne d‘Arc) – 22,4 km (1165,6km)
Augen auf und ein bisserl „Büro“ im Bett. Dann schaue ich mal vorsichtig vor meine Zimmertür. Und tatsächlich steht da schon der Wäschekorb mit meiner frisch gewaschenen Wäsche direkt vor meiner Tür🙏😍 Super.
Zum Frühstück muss ich kurz raus und in einen anderen Teil des Gebäudes wieder rein. Kuschelig warm, denn im alte Kamin lodert schon das Feuer.
Auf dem Tisch ein großer Stapel Pfannkuchen und am Herd rührt Pascale fleißig Marmelade. Die Kühe gemolken hat sie natürlich schon vorher, 2 Milchkannen, wie sie frischer nicht sein kann, stehen schon für die 6 Kinder, die gleich zum Frühstück kommen, bereit. Wie schafft diese kleine zierliche Frau das nur alles?
Pascale spricht sehr gut deutsch und wir unterhalten uns über die verschiedensten Themen. Unter anderem auch über meine Tagesetappe. Mein Ziel heute ist ja der Geburtsort von Jeanne d“Arc, einigen vielleicht eher bekannt als die heilige Johanna von Orleans.
Mein Quartier wird allerdings 2 km aus dem Ort raus sein, direkt an/ hinter der Basilika Sainte -Jeanne-d‘Arc.
In der Unterkunft wird es kein Abendessen geben. Ich müsste mir also Lebensmittel mitnehmen, ABER es gibt auf der Strecke keinen Supermarkt. Oder ich gehe jetzt gleich in das gegenüberliegende kleine Städtchen, größeren Ort und kaufe dort ein und schleppe ALLES mit, außerdem gute 3 km mehr. Eigentlich mein Plan.
Pascale meint, in Domrémy gäbe es einen kleinen Shop. Oder ich könne auch in Domrémy ins Restaurant gehen, dass nicht so billig wäre, aber ich soll nach dem Tagesgericht fragen. Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, ob ich nun den Schwenker zum Einkaufen mache. Erstmal gehe ich zurück ins Zimmer und schreibe noch bisserl.
Die Entscheidung ist mir abgenommen wurden! Es regnet in Strömen – Umwege gestrichen. Ich überlege kurz, was ich noch an Essbarem habe in meinem Rucksack. Achja, da gibts immer noch die Müsliriegel, paar Nüsse und eine Mozarkugel 😅 Reicht!
Es hört wieder auf und ich starte. Ich ziehe keinen Poncho drüber, obwohl das eigentlich völlig blöd ist. Das sieht n Blinder mit nem Krückstock, dass es gleich wieder anfangen wird. Aber ich hab ihn griffbereit. Ich bin noch nicht mal am Ortsausgangsschild vorbei, da geht’s auch schon los💦💦 2 km spöter kann ich mich entscheiden… Wiesen-Feld- und Waldwege oder Straße. Ich nehme die Straße. Auf diesen ganzen Motterzirkus hab ich echt keine Lust. Ich erinnere mich aber auch kurz an meine Straßen-Erfahrung kurz vor Metz…das muss ich auch nicht nochmal wiederholen. Aber hey, hier bin ich in der Pampa…hier rasen keine paar hundert Autos an mir vorbei. Also entschieden – Straße ist wahrscheinlich das kleinere Übel. Allerdings ist die Straße etwas höher und windungeschützter. Und das merke ich auch gleich… Regen und Wind von vorne! Prächtig. Es erinnert mich fast an meinen Weg aus Bremen heraus… Nee, das war da noch viel schlimmer.
Ich passiere immer wieder kleine Dörfer und das ist gut so. So hangel ich mich von Dorf zu Dorf. Immer wieder schaue ich, ob die Dorfkirchen geöffnet sind, um mal einen Moment im Trockenen sitzen zu können. In meinem Büchlein steht zwar hin-und wieder, dass die und die Kirche tagsüber geöffnet wäre, aber das trifft vermutlich nur im Sommer zu.
Ich bin eh etwas sarkastisch / ironisch drauf.
Da steht ein Hinweis mit einem fetten Smiley versehen, wenn man an Punkt X 250m weiter läuft als erforderlich, findet man eine Töpferei!! Genau… ich wollte mir eh unbedingt eine Tasse mitnehmen!! Manno , eine Bar wäre hilfreicher😅
Oder… „… befindet sich eine Picknickbank neben einer Kapelle unter einem riesigen Schatten spendenden Baum“ Genauuu… Schatten wäre jetzt toll 😅😂🤣
Ich überquere die Maas, das Wasser steht mächtig hoch… einige Wiesen sind überschwemmt.
Von Dorf zu Dorf… Step by Step.. so schrumpft die noch vor mir liegende Strecke allmählich. Hätte ich heute so eine ewig gerade Strecke durch Wald und Botanik, ich glaube, wäre irre geworden bei dem Regen. Aber gestern war es am Ende auch bisserl langweilig, aber im Großen und Ganzen völlig in Ordnung… meditativ😅
Doch heute freue ich mich über die kleinen Zwischenziele.
Hab ich euch schon erzählt, dass ich alles an den wichtigsten Entfernungen aus meiner Kindheit bzw. meiner Heimat meße??
Boltenhagen-Klütz 4 km
Boltenhagen – Grevesmühlen 16 km
Boltenhagen -Wismar 24 km
Und dann spreche ich ja schon auch mit mir selbst… ( mit wem auch sonst 😅🤣)
„Hey komm…. ¡Andiamo! noch schnell einmal nach Klütz und fertig !“
Hab ich gestern noch geschmunzelt über den Brotautomaten, sieht die Sache heute schon ganz anders aus. Ich kaufe😄 Da kann ich ja die Müsliriegel für schlechte Zeiten aufheben😅
Im selben Dörfchen gehe ich an einem überdachten Wartehäuschen vorüber, es regnet gerade direkt nicht und ich hab auch noch keine 10km auf dem Tacho… Füße sind noch fit. Ich überlege kurz und gehe weiter…meine Chance vertan quasi. „Trocken“….das muss ich doch ausnutzen. Keine 500 m setzen Regen und Wind wieder ein. Shit Happens 😅
5 km vor dem Ziel dann endlich ein Wartehäuschen mit Bank- meins! Nach 17 km nun endlich mal den Rucksack runter und auch mal hinsetzten. Wie herrlich 😊🙏
Auf auf… die letzten Kilometer! Und da sehe ich auch schon das Örtchen vor mir – Ziel im Blick😃 Yeees!
Ohhh nöööööö…. Auf dem Ortseingangsschild steht ein anderer Name😩😅Klassischer Fall von „ Ich habe mich vertan!“.. aber immerhin nicht verlaufen.
Nach nicht einmal 2 km dann Domrèmy😅 Und gerade hört es auch auf zu regnen. Ich müsste jetzt mal ins Buch schauen, wo ich das Geburtshaus finde. Ich lehne die Trekkingstöcke an einem Gartenzaun an, schlage den Regenponcho nach hinten und krame in meinem vorderen Rucksack. Die Eigentümerin des Gartenzauns nebst Haus kommt raus und fragt mich auf französisch, ob sie helfen könne. Schnell merkt sie, dass ich der französischen Sprache nicht mächtig bin und wir reden auf englisch. Ich frage, wo denn das Geburtshaus wäre und der kleine Lebensmittelladen. Den gibt es nicht….uppppps! Ob ich einen Augenblick Zeit hätte, dann könne ich doch kurz mal mit reinkommen. Ich vermute, dass sie mir vielleicht das Geburtshaus zeigen möchte und sich daher noch eine Jacke holt. Nein, sie holt ihre Tochter Line, die perfekt englisch spricht. Die beiden laden mich aufs Herzlichste auf einen Kaffee ein… etwas Warmes, wie wunderbar 🙏🙏
Line bietet mir an, mich zu einen Supermarkt zu fahren, der 5 km weit entfernt ist. Ich lehne höflich ab, ich habe ja noch das halbe Baguette und Müsliriegel sind ja auch noch da. Etwas Warmes habe ich gerade- alles gut. Line erzählt, dass sie nur zu Besuch bei den Eltern ist, sie lebt sonst in der Schweiz…in Lausanne. Oh Schweiz? Da habe ich auch gelebt über 2 Jahre. Oh, wo denn? In der Nähe von Luzern, ich habe auf dem Bürgenstock gearbeitet ( kennt jeder, der in der Schweiz lebt)
Neiiiin! Das ist ja krass!! Line kann gar nicht glauben, was sie da hört!! Denn sie hat für die Bürgenstock Selection im Sales Marketing gearbeitet! Das gibts doch nicht!!! Jetzt bin auch ich sprachlos! Wir haben mehr oder weniger für die selbe Company gearbeitet! Unglaublich🤩🤩🤩🤩 Und so ganz zu-fällig pickt mich ihre Mama auf und holt mich ins Haus😊🤩😍
Line fragt mich nochmals, ob sie mich zum Supermarkt fahren kann und ich verneine wieder höflich. Sie fragt, ob ich denn Käse oder Ähnliches für mein Baguette dabei hätte. Nein, das macht aber auch nix. Und sofort holt sie Käse aus dem Kühlschrank😊
Wir sprechen übers Französisch-lernen und ich sage, ein Wort hätte ich sofort gelernt : Jasse! Jagd! Aus gegebenen Anlass😅
Die Mama fragt sofort, ob ich eine Warnweste hätte und ich antworte, dass ich die in der nächst größeren Stadt mir besorgen werde. Sie sagt, ich könne eine von ihr haben, sie hätten genug😊
Was für eine Begegnung schon wieder!! 🤩🙏 Vielen Dank für eure herzliche Gastfreundschaft wie auch Hilfsbereitschaft 🙏❤️🙏
Line und ich tauschen die Telefonnummern aus und dann wird es höchste Zeit, mich zu verabschieden.
Das Restaurant, das Pascale mir empfohlen hat, ist geschlossen. Macht jetzt aber auch gar nix. Bin versorgt.
Ich schaue mir das Geburtshaus von außen an… hat ja zu, wie kann’s auch anders sein. Und gehe in den Souvenirshop/ Info. Schnappe mir dort die letzte Coke aus dem Kühlschrank sowie ein Bier und bekomme an der Kasse einen Stempel. Angeblich die Orginalunterschrift von Jeanne d‘Arc. Dann ziehe ich los, noch 2 km und ich stehe vor der Basilika. Es ist schon bisserl dunkel. Und da steht auch schon Jean-Louis Von Kelst und nimmt mich in Empfang.
WOW… direkt hinter der Basilika. Ein schönes abschließbares Zimmer mit eigenem Bad. Die Küche darf ich auch nutzen und gerne mich bei allem bedienen, was ich finde. Und so mache ich mir wenig später einen riesigen heißen Kakao, Tee und Brühe. Geht doch😅
Der Regen ist längst vergessen 😅😅
Und der Tag landet in der Kategorie „schön“🥰.
2 Antworten
Was für ein Tag Sandra. Da träume ich mich gleich zurück in meine Frankreichzeiten.
super spannend liebe Sandra