21.11.22 Visbek-Vechta – 19,9-2 km = 17,9 km (380,4 km)
Manchmal wachst du morgens auf und ahnst nicht im Ansatz, was das für ein meeega Tag wird… passiert im normalen Leben wie auch auf dem Jakobsweg.
Mittlerweile hat es sich etwas zur Routine entwickelt… ich stehe zwar zeitig auf, schreibe dann aber noch einen Blog, schaue mir die Strecke im Buch an… Vorbereitungen usw. und verlasse das Haus so zwischen 9 und 10 Uhr. Und eigentlich passt es ganz gut, denn die Etappen sind immer so nur um die 20km, also nix Großes. Es ist zwar dann auch noch immer kalt aber nicht mehr sooooo kalt wie zur Sonnenaufgangszeit. Beim Losgehen hab ich noch ein schönes Gespräch mit Frau Wigger, also ich kann den Landgasthof wärmstens empfehlen, das Essen auch. Und ihr habt ja gesehen, es ist eine sehr schöne Gegend…viele Radwege, etliche Großsteingräber und ganz viel Landschaft, aber auch schöne Städtchen wollen entdeckt werden. Gasthof Wigger wäre ein schöner Ausgangspunkt für Touren, zum Beispiel mit dem Rad.
Ziel der heutigen Etappe ist Vechta. Und hier geht es zu privaten Gastgebern und ich weiß schon, dass ich erst nach 17 Uhr ankommen kann, da beide arbeiten. Beim Rausgehen aus dem Ort schau ich mir noch schnell die nachgebaute Lourdes-Grotte an und dann geht es los… der Sonne entgegen. Kalt, aber beim Laufen tendenziell ok😅 Und wenn die Sonne scheint, hüpft mein Pilgerherz sowieso.
Man kann die Strecke direkt nach Vechta gehen oder eben über Lutten. Da Lutten eine Jakobuskirche hat, möchte ich die auch gerne besuchen. Also ganz klarer Fall, ich gehe nach Lutten. Kurz vor Lutten läuft die Strecke an einer vielfrequentierten Straße entlang. Wie ja schon öfter beschrieben, kommen Gedanken.. gehen Gedanken… kommen Gedanken. Und mit diesem Autolärm verändern sich diese auch…sind etwas weniger optimistisch. Ich frage mich, ob ich nicht zu optimistisch, blauäugig an die Sache herangegangen bin… in 8 Tagen nur 2 Eingänge… Und dann bin ich schon in Lutten und fotografiere die kleine Kapelle, im Rücken habe ich das Heimatmuseum. Ein Mann spricht mich an, später erfahre ich, dass er Franz heißt. Er fragt mich etwas über meinen Pilgerweg und ob ich nicht bisserl spät dran bin, die meisten Pilger kommen um die Mittagszeit. Ich erkläre ihm kurz, dass ich noch genug Zeit habe, da ich ja erst nach 17 Uhr in Empfang genommen werden kann. Er sagt, dass würde ja super passen, dann könne ich doch mit hineinkommen..er hätte eine Damengruppe dort sitzen und die würden sich sicher freuen, wenn ich etwas über den Jakobsweg erzählen würde. Hehe.. biete mal einer ehemaligen Reiseleiterin eine „Bühne“ an zum Reden… das lässt sie sich aber nicht zweimal sagen. Und so kam es, dass ich mit Franz und 13 Damen gesetzteren Alters bei Kaffee und Kuchen zusammen saß…. und die Zeit vergaß. Ich fragte, ob sie sich alle 14 Tage treffen würden… nein, einmal die Woche, man müsse schon etwas tun, damit man nicht einrostet. Ich grübelte noch darüber, was denn Kuchen essen mit „nicht einrosten“ zu tun hat, als die Erklärung schon hinterher gereicht wurde. Nach dem gemütlichen Teil kommt der sportlichere Teil, Tanzübungen im Sitzen. So bezaubernde Damen. Ich erzählte also vom Jakobsweg, von der Magie, den Begegnungen, von früheren Erfahrungen und auch von meinem jetzigen Camino und auch dem Spendenprojekt und dem Reiseblog. Und dann wieder von der Entwicklung der Wege.. und das sich jährlich mehr und mehr Pilger auf den Weg machen.. klar… der Wunsch nach Entschleunigung wird immer größer. Ich schreib noch schnell ins Gästebuch rein und dann muss ich aber auch los. Und dann schieben die Damen, oder war es Franz im Auftrag, mir plötzlich einige Geldscheine rüber. Sie haben, ohne das ich es merkte, Geld gesammelt für den Bau des 1. Kinderhospiz in Mecklenburg. WOW… ich bin soooo geflasht. So berührt. Meine Augen werden feucht. Lieber Franz🙏💙🙏… vielen lieben Dank euch allen, ich habe das Geld bereits eingezahlt…ONLINE😅 siehe Fotos😊 Danke Danke Danke🙏
In Lütten mit der Jakobuskirche… ob es Zeichen gibt oder nicht, dass muss jeder mit sich selbst abmachen. Ich kann nur sagen, daß nach dieser Begegnung meine Zuversicht wieder da🥰
Wieder auf der Straße stelle ich fest, dass es bereits 15.30 Uhr ist, Sonnenuntergang bereits vor 16:30 Uhr sein wird und ich noch ungefähr 6 -7 km laufen muss. Und ich habe keine Ahnung, ob da noch etwas an Wald auf mich zukommt oder nicht 😱 Und ich habe auch keine Zeit mehr, dass im Buch nachzulesen. Also Stechschritt! Schnell, schnell, schnell. Bisserl Panik macht sich breit. Plötzlich hält ein Auto und eine Frau sagt, ich könne doch gerne einsteigen. Ich lehnte dankend ab mit dem Hinweis, dass ich doch Pilgerin wäre. Sie erwähnt, dass es gleich dunkel wird und es hier eine sehr einsame Gegend wäre. Das ließ ich mir nicht 2 x sagen und schwuppdiwupp waren der Rucksack und ich im Auto und ich bin nun emotional total berührt. Und ich erzähle Silvia im Auto das , was ich gerade erlebt habe / erfahren durfte. Wir machen noch Fotos und verabschieden uns. Schon wenige Stunden nach unserer Begegnung erfahre ich über meinen „Herbergsvater“ ( ja, die Welt ist auch hier klein), daß Silvia gespendet hat. Vielen vielen lieben Dank Silvia🙏💙🙏